Ich weiß es noch als, wäre es erst gestern gewesen, als ich Stolz meine Narbe meinen Klassenkameraden und (vor allem) Klassenkameradinnen vorführte. Sie war (und ist es noch) knapp an der oberen Kannte der Kniescheibe, die ich mir mit einer elektrischen Heckenschere zufügte. Ich stand da, ganz beseelt von dem Gedanken, allen Brennnesseln den Gar auszumachen und passte einen Moment nicht auf.

Ha, sagte ich mir: Nur eine Fleischwunde, nichts weiter. Locker nahm ich meinen Stoffgürtel, wickelte ihn fachmännisch um die Wunde, wie es Stallone und Schwarzenegger es nicht hätten besser machen können. Die Brust schwellend, wurde der Gürtel mit dem Blut im Klassenraum hervorgeholt.

Ein Mann ist Stolz auf seine Narben, als Zeichen von Mut, Verwegenheit, dem Tod trotzend und in den gefährlichsten Situationen, sich für keinen Scherz zu Schade. Coolness in seiner reinsten Form. Er präsentiert sie wie ein Geschenk, als Beweis seiner Männlichkeit und schnell finden sich weitere Männer ein, die ebenfalls stolz verkünden, wie sie zu ihren Narben gekommen sind und das meist auf die blutrünstige Art und Weise, die uns unser beschränkter Wortschatz ermöglichte.

Die Bewunderung der (meisten) Mädchen war man sich sicher (auch wenn sie mit einem gespielt angeekelten Gesichtsausdruck daherkamen und am Ende doch immer voller Bewunderung die Narbe begutachteten).

Doch bei einem winseln wir, wie als würden wir den Schatten des Sensenmannes auf uns spüren. Etwas das wir nicht sehen und bekämpfen können. Es weckt die ureigenste Furcht in uns. Sie gibt uns auf subtile Art zu verstehen, das wir dem nicht entgegenzusetzen haben. Dann springt unser „männlichkeits- Panzer“ von uns ab, wie alter Lack vom spröden Holz.

Häufig beobachten die Lebensabschnittsgefährtinnen ein Schauspiel, deren Verständnis sich ihnen oft entbehrt. Kopfschüttelnd stehen sie da, oft noch zynisch bemerkend, man solle sich nicht so anstellen, tue so, als sei man dem Tode nahe.

Im Bett liegend, bleich wie ein Albino, die letzte Bitte flüsternd über die Lippen gleitend, als können die Worte den Rest Leben aus dem Körper saugen und ihn in die andere Welt überführen.

Nur eine Person kann in dieser Situation noch helfend eingreifen. Mächtiger als jeder Schamane, mächtiger als jede Mambo und gar mächtiger als die Menschen in Weiß. Verständnisvoll und erschüttert zugleich, wird der Sohn empfangen, sogleich wird das Bett gerichtet und der Topf Hühnersuppe aufgesetzt. Mit Blicken der Verachtung, wird die Lebensabschnittsgefährtinnen gestrafft, nicht früher den Bitten des ihr Anvertrauten entsprochen zu haben.

Mit viel liebender Fürsorge, wird das Unheil noch einmal scharf abgewendet. Hauchdünn war der Lebensfaden. Nicht aus auszudenken wenn …

Ein paar Tage später zieht der (nicht mehr ganz so stolze) Sohn und Mann seine Rüstung wieder an und verlässt den Ort der heilenden Tempels. Die Mutter gibt der Lebensabschnittsgefährtin noch Verhaltensregeln und Hühnerbrühe mit dem auf dem Weg, doch immer noch in Sorge, ob er in ihren Händen nicht einen Rückfall erleiden wird.

Auf dem Weg in die eigene Burg, macht der Mann seiner Lebensabschnittsgefährtin Vorwürfe worauf sie nur Antwortet:

Schatz! Es war nur eine Erkältung! (sagt sie, wir Männer wissen es besser, wie nahe wir dem Abgrund waren)